
Der Frauenvollzug in Deutschland unterscheidet sich in verschiedenen Punkten vom Männervollzug. Grundsätzlich werden Frauen und Männer getrennt untergebracht. Die meisten Frauen sind in abgesonderten Abteilungen größerer Anstalten, es gibt jedoch auch eigene Frauenvollzugsanstalten.
Die meisten Unterschiede zwischen Frauen- und Männervollzug lassen sich auf die spezifischen Bedürfnisse der Lebenslage von Frauen zurückführen und können durch die statistischen Erhebungen des Strafvollzugs in Deutschland eingeordnet werden.
Viele Probleme des gendergerechten und gleichberechtigten Umgangs mit Frauen ergeben sich aus der Tatsache, dass Frauen zwar eine kleine Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ausmachen, jedoch die absolute Minderheit im Strafvollzug darstellen.
Anzahl der Männer und Frauen im Vollzug
In Deutschland sind 42.492 Menschen inhaftiert. Davon sind nur 5,66 % Frauen. Der Anteil der Ausländer im Vollzug ist insgesamt 34,12 % – bei Frauen ist der Ausländeranteil kleiner. Durch die geringe Anzahl an Frauen im Vollzug im Gegensatz zu Männern, sind im Frauenvollzug die Ressourcen jeglicher Art knapper: Personal, Geld, Zeit…

[1]
Hinzu kommt, dass die Haftlängen von Frauen durchschnittlich kürzer sind, als die der Männer. Es gibt kaum Frauen, die mehr als 5 Jahre im Gefängnis untergebracht sind.
Themen und Probleme von Frauen in Haft
Die JVA Niedersachsen schreibt auf ihrer Website: „Weibliche Gefangene haben meist andere Stärken, aber auch Defizite, als männliche Gefangene und sind weit häufiger von Süchten, Persönlichkeitsstörungen, Depressionen, Psychosen, posttraumatischen Belastungsstörungen oder anderen psychischen Erkrankungen betroffen als die Allgemeinbevölkerung.“ [2].
Zu diesen schwerwiegenden psychischen Problemen, die die Frauen häufig mit in die Haft bringen, kommen dann noch die Herausforderungen im Vollzug. Freiabonnements für Gefangene e.V. hat im Frühjahr 2023 eine kleine Umfrage unter weiblichen Gefangenen gemacht und die dort angesprochenen Probleme werden im Folgenden betrachtet.
Die Unterschiede zwischen Frauen- und Männervollzug werden verschieden wahrgenommen. Jedoch spiegeln die Antworten auf unsere Umfrage häufig, dass Frauen im Vollzug weniger untereinander kooperieren.
„Meiner Meinung nach vertrauen Männer sich gegenseitig mehr. Männer sind freundlicher, hilfsbereiter und respektvoller, aber es gibt mehr Gewalt, Schlägereien, Drogen und Schmuggel. Männer können besser ihre Rechte durchsetzen, denn sie sind besser organisiert.“ (Natalija, JVA Berlin)
Ebenso merken die Frauen an, dass sie im Gegensatz zu Männern eine geringere Durchsetzungsstärke ihrer Rechte im Vollzug haben.
„Männer bestehen stärker auf ihre Rechte, sind bestimmter und willensstärker und bekommen deshalb einfach, was sie wollen. Frauen geben zu schnell nach und arbeiten nicht für ihre Interessen zusammen. Außerdem gibt es in Frauenhaft viel weniger Arbeitsmöglichkeiten.“ (Inara, JVA Berlin)
Freizeitmaßnahmen, Arbeit und Ausbildung im Frauenvollzug
Aus den demographischen Daten lassen sich ganz allgemeine Probleme der Alltagsgestaltung in der Haft für Frauen ableiten. Die geringe Quote der weiblichen Inhaftierten resultiert in strukturellen Benachteiligungen [3]. Betroffen sind davon häufig auch die noch geringeren Angebote für Arbeit, Ausbildung und Freizeitgestaltung, als im Männervollzug. Dies wird auch eindeutig wahrgenommen. So schrieb uns eine Gefangene aus Chemnitz:
„Ich habe das Gefühl, dass in Männergefängnissen mehr angeboten wird; ob jetzt nur was die Arbeitsmöglichkeiten betrifft oder auch was die Freizeitmaßnahmen angeht. Gut möglich, dass es an den schon längeren Beamtenmangel liegt, dennoch könnte man nach Lösungen suchen oder uns mehr miteinbeziehen.“
Eine Gefangene aus Berlin beschrieb uns dazu noch die Problematik des traditionellen Frauenbildes, welches sich in den dort vorhandenen Angeboten wiederfindet:
„Mir scheint es entscheidend, darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz zu Männerhaftanstalten das Arbeits- und Ausbildungsangebot beschämend eingeschränkt ist und sich nach einem Hausfrauen-Ideal der 60er Jahre zu orientieren scheint. So werden die Hausarbeiterinnen hier sogar noch als „Hausmädchen“ (!) und „Waschmädchen“ bezeichnet und die einzige Weiterbildungsmöglichkeit ist die zur „Hauswirtschafterin“, das bedeutet Nähen, Stricken, Putzen, usw.! Alternativ bleibt bestenfalls noch die Gärtnerei…“
In den meisten Vollzugsanstalten gilt erschwerend die Regel, dass Schule, Studium und Ausbildung nur angefangen werden dürfen, wenn sie während der Haftzeit abgeschlossen werden können – und bei Sicherheitsbedenken kann ein Studium ebenfalls nicht angetreten werden [4]. Eine geringere Haftzeit schließt Frauen also von solchen Angeboten teilweise grundsätzlich aus.
Um das Angebot für Frauen im Vollzug zu erweitern, vermittelt Freiabonnements für Gefangene durch Spenden Zeitungen und Zeitschriften, sowie Bücher für Aus- und Weiterbildung an Inhaftierte.
Haben Frauen in Haft Zugang zu Hygieneartikeln und Kosmetik?
Hygieneartikel sind für alle Frauen, die auf die unsere Umfrage geantwortet haben, zugänglich. Die World Health Organization (WHO) schreibt dazu, dass Frauen zwar meistens Zugang zu Hygieneartikeln haben, aber die Forderung, diese Hygieneartikel kostenlos zur Verfügung zu stellen, da sie mit höheren Kosten einhergehen, kaum in Betracht gezogen wird [5].
„Hygieneartikel gibt es als Nichtarbeitende von der Anstalt gestellt (jede Woche). Als Arbeitende bekommt man Lohn und kann demzufolge einkaufen gehen. Beim Einkauf (alle 2 Wochen) kann jeder dort alles finden, was er braucht. Über Binden, Tampons, Klopapier bis hin zu Schminke, Haarfarben und Nagellack.“ (Gefangene, JVA Chemnitz)
Grundsätzliche Gegenstände wie die Grundbekleidung und einen Kamm bekommen Frauen von der Vollzugsanstalt gestellt.
Schwangere und Mütter im Gefängnis
Mütter und Schwangere im Vollzug sind wie alle anderen Gefangenen von ihren Familien und ihrem sozialen Netzwerk getrennt. Zusätzlich sind die für Menschen draußen normalen Informationsquellen und Austausch über Probleme, Gefühle, Körperveränderungen und -reaktionen den Schwangeren und Müttern in Haft nicht zugänglich. Schwangeren werden regelmäßige Frauenarzt- und Hebammenbesuche in der JVA ermöglicht, Geburtsvorbereitungskurse gibt es nicht. Hilfe und Rat erhalten sie hauptsächlich von anderen Inhaftierten, die bereits Mütter sind.
Podknast berichtet hierzu: Inhaftierte Schwangere werden für die Geburt unter Begleitung von Beamten in ein Krankenhaus gebracht und bekommen dort ihr Kind, in der Regel ohne Angehörige und Freunde. Sie haben je nach Auflage zwei grundsätzlich unterschiedliche Wege nach der Geburt vor sich: Manche können in ein Mutter-Kind-Zimmer um direkt mit ihrem Kind im Vollzug zu leben. Die Voraussetzung für einen Mutter-Kind-Platz ist meistens, im offenen Vollzug untergebracht zu sein. Andere müssen ihr Kind direkt nach der Geburt abgeben. [6]
Inhaftierte, die Kinder außerhalb haben, können je nach Einschätzung des Gerichts und der Beamten Zeit mit Kindern und oder Partnern verbringen. Es gibt in den meisten Anstalten Besuchsräume, die für Kinder eingerichtet sind – mit Büchern und Spielzeug. Grundsätzlich bietet der offene Vollzug mehr Kontaktmöglichkeiten.
Der Umgang mit Bediensteten
Die meisten Gefangenen berichten uns, dass der Umgang von Bediensteten des gleichen Geschlechts und anderen Geschlechts sich nicht unterscheidet. Es gibt jedoch formale Unterschiede. So dürfen Körperuntersuchungen und ähnlich intime Angelegenheiten nur von Beamten des gleichen Geschlechts vollzogen werden.
„Meiner Meinung nach gibt es keinen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Beamten. Sie sind alle nett, hilfsbereit, sehr geduldig und machen ihre Arbeit gut.“ (Gefangene, JVA Berlin)
Dass die Geschlechter der Gefangenen und Beamten im Umgang miteinander aber eine Rolle spielen können, erläutern zwei Gefangene:
„Bei gleichgeschlechtlichen Bediensteten ist der Umgang entweder total machtausübend oder auf Augenhöhe. Das ist ganz unterschiedlich, aber es überwiegt doch der positive Teil. Bei Bediensteten des anderen Geschlechts kommt es schnell zu Äußerungen von weiblichen Gefangenen, welche nicht angemessen sind und Grenzen überschreiten. Das bringt schnell Schwierigkeiten mit sich für alle Beteiligten.“ (Gefangene, JVA Chemnitz)
„Sicherlich ist es mit den Gefangenen nicht einfach, sowas geht ja auch nicht spurlos an einem vorbei, also das nehme ich einfach mal an. Manche Situationen haben eben auch ihren Ruf weg von der Klientel her. Doch wenn man nach der Arbeit, kurz nach 14 Uhr, auf Station zurückkommt und von einer jungen Beamtin schon den Satz gesagt bekommt „Ah, ich hab‘ heute keine Lust“ oder „Am liebsten würde ich euch zu lassen“, dann fragt man sich schon, was sie für Probleme hat. Zumal auf meiner Station nun wirklich nichts los ist – ich muss dazu sagen, dass ich auf einer Langstrafler-Station bin und wir Gefangene wollen nur unsere Ruhe haben und sind auch alle für uns, also bei uns ist es ruhig und viele ältere Beamten meinen auch, dass es bei uns auf der Station wie Urlaub ist. Keine Ahnung, was andere da für ein Problem haben, naja, man kann nicht in die Köpfe schauen.“ (Gefangene, JVA Chemnitz)
Foto: pexels
Quellen
[1] Statistisches Bundesamt, „Destatis“ 2022. [Online] [Zugriff März 2023].
[2] Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta, „Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta,“ [Online] [Zugriff März 2023].
[3] F. Dünkel, C. Kestermann und J. Zolondek, „Universität Greifswald,“ 2005. [Online] [Zugriff März 2023].
[4] dpa, „Kein Studium im Gefängnis bei Sicherheitsbedenken,“ 19 Juni 2022. [Online] [Zugriff März 2023].
[5] World Health Organization, „Gesundheit von Frauen im Strafvollzug,“ 2009. [Online] [Zugriff März 2023].
[6] podknast, „Schwanger in Haft,“ 6 November 2011. [Online] [Zugriff 6 März 2023].