An diesem bundesweiten Aktionstag, der die digitale Teilhabe in der Gesellschaft fördern soll, möchten wir das Augenmerk auf Verlierer der Digitalisierung richten: Gefangene in Vollzugsanstalten. Dafür haben wir eine Umfrage mit Gefangenen über ihren Zugang zur digitalen Welt und deren Nutzung durchgeführt.
„Wir leben in den meisten JVA’s wie in den 80er Jahren! Selbst telefonieren ist nur mit Aufwand & Geduld möglich!“ (Danny, JVA Geldern, Juni 2022)
In der Welt außerhalb der Vollzugsanstalten sind Handys und Computer, besonders das Internet, nicht mehr wegzudenken. Wir pflegen unsere sozialen Kontakte über sie, beziehen Nachrichten und Informationen, schreiben unsere Gedanken und Ideen dort nieder und erledigen unsere Arbeit mit ihnen. In den Vollzugsanstalten sind Handys grundsätzlich verboten.
„Direkt vor der Schleuse der JVA Dresden habe ich die letzte Whatsapp an meinen Sohn (9) gesendet. Inhalt: „Bis bald mein Huschel, ich hab dich lieb! Papa“.“ (Ludwig, JVA Dresden, Juni 2022)
„Grob könnte man sagen, mein Handy wurde bei der Verhaftung konfisziert und seitdem bin ich von derartiger Kommunikation völlig abgeschnitten.“ (Anja, JVA Chemnitz, Juni 2022)
Computer gibt es, sie sind jedoch zugangsbeschränkt und werden für Bildungsmaßnahmen oder im Übergangsmanagement verwendet. Im Maßregelvollzug werden Therapiemaßnahmen an den Computern erledigt.
„Ich bin jetzt mehr am Computer weil ich Aufgaben mache, die therapierelevant sind. Sonst komme ich nicht hier raus.“ (Jan, JVA Gießen, Juni 2022)
„Ich bin Mitglied der Redaktion der Gefangenenzeitung und dafür stehen uns 3 recht veraltete Computer zur Verfügung, auf denen wir die Texte und einfache Bildbearbeitungen für die Zeitungsartikel vornehmen können. (…) Zudem bin ich in dem Gefängnis die einzige Studentin und habe einen elis-Rechner an meinem Arbeitsplatz. (…) darüber habe ich Zugriff auf die Kursseiten der FernUni Hagen, die ja für Inhaftierte zuständig ist. (…) Damit bin ich unter den ca. 250 Gefangenen hier maximal privilegiert.“ (Anja, JA Chemnitz, Juni 2022)
Gefangene, die sich am Anfang ihrer Haftzeit befinden, können noch positive Züge an diesem Bruch mit der digitalen Gesellschaft finden.
„Es hat auch was angenehmes, mal nicht 24/7 auf WhatsApp, Twitter und Co. erreichbar zu sein.“ (Peter, Untersuchungshaft, JVA Münster, Juni 2022)
Schon länger inhaftierte Personen haben diese positive Sichtweise nicht mehr.
„Es ist absolut nicht nachvollziehbar, warum ich als Häftling keinen Computer benutzen darf. Eine Resozialisierung und eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft ist scheinbar nicht gewünscht. Gerade in der heutigen Zeit der Digitalisierung muss ich mich nur wundern, dass ich den Kontakt lediglich über Briefe gewährleisten kann.“ (Gernot, JVA Bernau, Juni 2022)
Genau dieser Ausschluss von der digitalen Gesellschaft ist einer der wichtigsten Gründe, warum Printmedien, besonders tagesaktuelle Zeitungen, in den Vollzugsanstalten so wichtig sind. Um irgendeinen Anschluss an die Gesellschaft „draußen“ zu haben, benötigen die Gefangenen Zugang zu den politischen und kulturellen Diskursen in der Gesellschaft. Das im Abschluss in den eigenen Worten der Gefangenen:
„Zeitung lese ich in der Haft, um weiterhin über das Weltgeschehen informiert zu bleiben und um auch an der ein oder anderen Diskussion teilnehmen zu können. Umso besser ich informiert bin, umso besser fühle ich mich auch. Für mich gibt es nichts Schlimmeres, als nicht „mitreden“ zu können, das gilt besonders für meine Zeit in der Haft.“ (Peter, JVA Neumünster, Juni 2022)
„Weil wir kaum anders an öffentliche Informationen gelangen und Printmedien die einzige externe Quelle sind, neben dem TV-Gerät!“ (Danny, JVA Geldern, Juni 2022)
„Es ist soo wichtig, sein Gehirn in der JVA am Arbeiten zu halten. Damit es nicht verkümmert! Ich lese gerne, weil es wichtig ist, die Welt zu verstehen.“ (Volkan, JVA Saarbrücken, Juni 2022)
„Damit ich den „Draht“ zur „außen“ Welt nicht ganz verliere und weil mich die politische Lage interessiert.“ (Alexander, JVA Ambert, Juni 2022)
„(…) auch macht mir das Lesen einer Zeitung viel Freude und lenkt mich vom monotonen Knastalltag ab.“ (Patrick, JVA Celle, Juni 2022)
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